Wenn am Gründonnerstag während des Abendgottesdienstes Orgel und Glocken verstummen. beginnt das Osterbrauchtum in Attendorn. So werden am Karfreitag und Karsamstag „die Stunden geblasen“. Dabei sind vom Kirchturm der Pfarrkirche zwei lang anhaltende Töne zu hören, die im Oktavintervall auf einem alten Nachtwächterhorn geblasen werden. Gleichzeitig ziehen Kinder mit so genannten Ratschen, die ein weit hörbares Geräusch verursachen, um die Kirche. Ebenso laufen in der Karwoche die Vorbereitungen zur Herstellung der Ostersemmel auf Hochtouren.
Die „Ostersemmel“, dessen Teig mit Kümmel durchsetzt ist, hat an den beiden Enden je einen Einschnitt, so dass sich zwei „Hörner“ bilden. Die Form erinnert an die Schwanzflosse eines Fisches, einem Christussymbol der frühen Christen. So ergeben die Anfangsbuchstaben der griechischen Worte „Jesus Christus Gottes Sohn Retter“ aneinandergereit den Begriff „Fisch“. Schon Maler Albrecht Altdorfer (ca. 1480 – 1538) hat die Form des Attendorner Ostersemmels in einem Gemälde dargestellt.
Nach dem Segnen der Ostersemmel gehen die „Poskebrüder“ in den Stadtwald, um die etwa 30m langen Fichten zu schlagen, die am anderen Tag zu Osterkreuzen hergerichtet werden. Gegen 17:00 Uhr finden sich alle Osterfeuervereine auf dem Marktplatz ein, wo die Fichten im Rahmen eines Wettbewerbes vermessen werden. Die Länge und der Umfang einer Fichte sind oft Anlass heftiger Diskussionen zwischen den Generationen. Die Bekanntgabe der Maße ist mit einer plattdeutschen Ansprache und dem Absingen des plattdeutschen „Poskeliedes“ verbunden.
Am Ostersonntag werden die Fichten auf den jeweiligen „Köppen“ hergerichtet. Sie werden zunächst mit einem Querbalken versehen, so dass die Form eines Kreuzes entsteht; danach befestigt man zwei weiter Streben als Symbol für die Arme Christi, die von den Enden des Querbalkens wieder zur Mitte des Stammes geführt werden. Mit Muskelkraft werden dann die mit Stroh umwickelten Osterkreuze aufgerichtet. Danach werden die „Bürden“ um das Osterkreuz aufgeschichtet. Mehrere Wochen vor Ostern wurden diese Bürden, Äste von etwa 1m Länge, zusammengelegt und zum Trocknen aufgestellt.
Die Osterfeuer werden am Ostersonntag um 21:00 Uhr angezündet. Hierzu gehen die Kinder der vier „Poorten“ zur Pfarrkirche, entzünden dort an der Osterkerze eine Pechfackel und zünden damit zunächst die Fackelfeuer auf den „Köppen“ an. An diesem Fackelfeuer entzünden die Kinder ihre Holzfackeln, die kreisförmig um den Körper geschwungen werden.
Das Zeichen zum Anzünden der eigentlichen Osterfeuer wird von der Pfarrkirche aus gegeben, indem das Kirchturmkreuz elektrisch beleuchtet wird und das Geläut aller acht Glocken ertönt. Ein schlecht brennendes Osterfeuer wird „Dümmelfeuer“ genannt und gibt Anlass zu Heftigen Diskussionen bei den Kindern (und Erwachsenen).
Ungefähr eine halbe Stunde nach dem Abbrennen der Osterfeuer ziehen von den ehemaligen Stadttoren vier Prozessionen durch die mit Kerzen geschmückten Hauptstraßen zur Kirche; dabei werden uralte Prozessionslaternen vorangetragen. Den Abschluss der Ostertage bildet die feierliche Osterabendandacht im Sauerländer Dom, wobei die vier „Lüchten“ wie die Osterfeuer als Zeichen des Sieges über Leben und Tod zu verstehen sind. Nach der Andacht trifft man sich anschließend noch zum Osterabendsingen des Männergesangvereins auf dem Marktplatz.
(Quelle: Attendorn – Portrait zur Jahrtausendwende, Otto Höffer/Ralf Breer)